Call for Papers

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53. Jahrestagung des französischen Verbandes für Hochschulgermanistik - AGES

GEWALT UND RADIKALITÄT
                                                      
1. - 3. Juni 2022
Université Bordeaux Montaigne





Das Organisationskomitee bittet um Einreichung von Beiträgen für die 53. Jahrestagung der AGES, die vom 1.-3. Juni 2022 in Bordeaux stattfinden wird.


Im Mittelpunkt sollen die Wechselbeziehungen innerhalb des Begriffspaares Gewalt und Radikalität stehen. Berücksichtigt werden vor allem die gegenseitige Bestimmung und die Komplementarität beider Begriffe sowie die Grenzen und Ausmaße ihrer vermutlichen jeweiligen Autonomie.                        
 
Auf prä-theoretischer Ebene mag zwar davon ausgegangen werden, dass Gewalt bzw. Gewaltsamkeit faktisch eine Radikalitätserscheinung sei, sodass ein Zusammenhang beider Begriffe angenommen werden kann. Dennoch darf bereits hier gefragt werden, ob umgekehrt Radikalität ohne Gewalt bestehen kann: Die gewaltfreie Behauptung radikaler Aktionen oder Visionen lässt sich zwar begrifflich denken, aber diese gewaltfreie Radikalität kann auch als symbolisch gewaltsamer Aufstand gegen eine bestehende Ordnung konzipiert werden. Ob nicht-radikale Gewalt Bestand haben kann, bleibt außerdem noch zu klären. Was hat es also mit der vermeintlichen Hierarchie zwischen beiden Begriffen auf sich?

Ob Zusammenhänge zwischen Gewalt und Radikalität bei Einzelpersonen oder einer Gruppe untersucht werden: Ihre Behandlung erfordert jedenfalls die Berücksichtigung eines dritten Terminus: Macht. Gewalt und Radikalität kommen durch Taten zum Vorschein, die darauf abzielen, eine eigene Macht zu begründen oder zu behaupten, fremde Macht zu schwächen oder zu untergraben oder Macht über etwas oder jemanden zu sichern (Drittpersonen, Gruppen, Strömungen, Gegenstände, Institutionen, hegemonische Strukturen, Staaten usw.). Gewalt und Radikalität bezeichnen Phänomene, Erscheinungen und Repräsentationen, welche die innerhalb einer Gemeinschaft geltenden Normen verletzen. Die genehmigten legitimen Wege werden umgangen, um ein Ziel kurzerhand zu erreichen.

    Interessent*innen werden dazu eingeladen, die ästhetischen, sprachlichen, aber auch ethischen und pragmatischen Aspekte des Rückgriffs auf Gewalt als (legitimes oder illegitimes) Mittel zu radikalen Zwecken unter die Lupe zu nehmen.

    Auf ein Inventar der Verwendungen jener höchst mehrdeutigen Begriffe wird hier verzichtet, um sämtlichen Fächern und Ausrichtungen aus dem germanistischen Bereich freie Bahn zu lassen: Fachdidaktik, Film- und Kunstwissenschaft, Geschichts- und Sozialwissenschaften, Literaturwissenschaft, Philosophie und Geistesgeschichte, Sprachwissenschaft, Übersetzungswissenschaft usw. Erwünscht sind alle Lektüreansätze, die sich mit dem  Spannungsfeld beider Begrifflichkeiten unter Berücksichtigung aller Themenfelder und Perioden auseinandersetzen. Skizziert werden im Folgenden einige mögliche Ansätze, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.                                                               
                                                                                                                                                                 
Einige Facetten des Zusammenspiels von Gewalt und Radikalität
                                                                                                              
    • Der Begriff Radikalität mag andere, benachbarte Konzepte vors geistige Auge ziehen, die auch aktuelle Mediendiskurse prägen, etwa Radikalismus, Radikalisierung. Radikalität sollte nicht auf Mediendiskurse beschränkt werden: Radikale Taten und gewaltsame Erscheinungen sind kein Alleinstellungsmerkmal unserer Zeit und erfolgen nicht allein auf kollektiver Ebene bzw. im Zusammenhang mit einer politischen Absicht. Zum Problemkreis der Tagung gehört daher auch die zeitbedingte Variation in der Bestimmung dessen, was als Normverletzung bzw. als Abkehr von der Legitimität betrachtet wird. Sind diese wahrgenommenen Grenzüberschreitungen auf Außenseiter*innen, Narren, Närrinnen, ja auf Rand- oder Jugendgruppen, auf Avantgarden und auf Minderheiten beschränkt? Wie spielerisch können Gewalt und Radikalität sein, auch wenn sich die Rezipient*innen dieses Umstandes nicht bewusst werden?                                                                         
                                                                                          
                                                                                      
    • Nicht zu vergessen ist auch die Frage, ob die Macht der Mehrheit über die Minderheit(en) nicht als (ultimative) Form von Gewalt und von Radikalität erlebt wird. Diese würde dann Umsturzversuche hervorrufen, die auf vererbte Kräfteverhältnisse abzielen, insofern als die rechtmäßigen Wege des Wandels sich als eine Aporie entpuppt haben. In diesem Fall wäre Radikalität eine Folge von Ungerechtigkeit und Unausgewogenheit der Kräfteverhältnisse, ein Symptom für die Unmöglichkeit, eigene, differenzierte Akzente innerhalb des Kollektivs zu setzen. Gewaltsamkeit entspränge also dem Bedürfnis nach einem Bruch mit ungerechter, unerträglicher radikaler Herrschaft, ob diese sich ideologisch, begrifflich, geopolitisch, sprachlich, psychisch, ethnisch, religiös, gender-, klassen- oder generationenmäßig manifestiert. Als Ausdrucksformen verlangen also Gewalt und Radikalität nach einer Untersuchung im Hinblick auf die Missstände, die sie an den Tag legen, und auf die Verwerfungen, die innerhalb eines Systems entstehen, wenn Alterität dort keinen Platz findet oder nicht ausreichend mitgerechnet wird.
                                                                                    


    • Ebenfalls relevant sind die nachdrückliche Konzeptualisierung des Rückgriffs auf Gewalt und Radikalität sowie insgesamt die Rolle von Ideologien und Weltanschauungen im Radikalisierungsprozess. Umgekehrt sollte auch den philosophischen und politischen Theorien Aufmerksamkeit geschenkt werden, die sich mit einem Ausweg aus Gewalt und Gewaltsamkeit befassen.
                                    
    • Besonders nennenswert ist das Problemfeld von Gewalt und Radikalität als Ausdrucksform. Heranzuziehen wären hier sprechakttheoretische und allgemein pragmatische Perspektiven sowie semantische, prosodische, morphologische und syntaktische Methoden. Ungeachtet der Textsorten bzw. Diskurssorten sind korpusbasierte, gesprächs- und diskursanalytische Ansätze besonders erwünscht.
 
    • Auch ästhetisch und formell wirft das Begriffspaar Gewalt-Radikalität viele Fragen auf. Beiträge, die sich mit diesen Fragen und Umsturzversuchen im Kunstbereich befassen, sind höchst willkommen. Gefragt kann zum Beispiel werden, wie gerechtfertigt die Abkehr von oder umgekehrt die Rückkehr zur Tradition sein können, wenn mit Regeln gespielt wird, wenn die Grenzen der Künste oder der Genres gesprengt werden. Hierzu gehört auch die Frage nach den ästhetischen Modi des Engagements und der Überlieferung. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen nicht so sehr allein Themen und Verfahren oder die Beziehung der Darstellung mit der Bezugswelt als vielmehr der Zusammenhang zwischen Gewalt und Radikalität mit seinen Gründen und Konsequenzen/Implikationen auf ethisch-ästhetischer Ebene.                                                        

                                                                                                
Die Kontaktadresse lautet: propositions.ages2022 [a] gmail.com Arbeitssprachen sind Deutsch und Französisch.  Vorträge sollten nicht länger als 25 Minuten dauern.

                                                   
 

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